Straßenmalerei 12.-21. September, täglich Limburg / Innenstadt
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Die Vergänglichkeit dieser Kunstform verhinderte lange, dass sie anhand von Bildern dokumentiert werden konnte. Sie ist aber das Thema von Dichtern und Autoren für vierhundert Jahre gewesen. Heute gibt es Videodokumentationen, Fotografiensammlungen und zahlreiche Artikel, die der Aufzeichnung dieser Kunstform dienen und von ihrer Entwicklung zeugen. Straßenmalerei ist in Europa seit dem 16. Jahrhundert bekannt und gilt als einer der wichtigsten Vertreter der volkstümlichen Kunst. In Italien werden Straßenmaler "madonnari" (Madonnenmaler) genannt. Wie der Name "madonnari" schon sagt, ist die italienische Straßenmalerei seit ihrer Gründung eine
Form der frommen Kunst gewesen. Die Geschichte der Straßenmalerei ist eng verbunden mit der langen und reichen Tradition der italienischen Prozessionskunst , wo mit farbigem Sand sowie Blumen kunstvolle Bilder gefertigt werden. Die berühmte Parade Pasadenas Rose z.B. kommt von dieser Tradition. Kleine Ikonen und Ex-Voto-Bilder die der Kirche zur Ehrerbietung für ein beantwortetes Gebet gegeben werden, oder Wunder, sind das Genre des madonnaro. Historisch gesehen sind madonnari reisende Künstler gewesen, die für ein
Leben in Freiheit und Selbstbestimmung standen. Sie nutzten die vielen Festivals und die Feiertage, die in Italien in jeder Provinz einzigartig
sind. Die madonnari übten ihre Kunst überwiegend auf solchen Feiern aus. Sie lebten vom Geld, das sie als Spende empfingen. Nach dem Feiertag oder mit den ersten Regen werden der Maler und sein Bild verschwinden.
Bis ca. 1970 waren madonnari die beschriebenen Volkskünstler und reproduzierten einfache Bilder mit groben Materialien. Tragisch verringerte der zweite Weltkrieg die Zahl dieser reisenden Künstler. Die letzten dreissig Jahre haben nicht nur eine Wiederbelebung, sondern eine wahre Explosion dieser Kunstform ausgelöst. Junge Künstler und Kunststudenten weltweit, vor allem in Europa, fingen an, auf die Straßen zu gehen und brachten neue Ideen, Techniken und Begeisterung ein, für diese fast schon verlorene Kunstform. Die Zeiten von Tafelkreide und Holzkohle waren vorbei. Die Bilder wurden jetzt mit hohen Qualitätsansprüchen und selbst hergestellten Pastellen gemalt. Diese Künstler fingen an, mit Blattgold, silberner Farbe, farbigem Sand, Glas und auch Vogelfedern zu experimentieren. Die Motive, längst nicht mehr beschränkt auf reine Madonnendarstellungen, waren Kopien von den alten Meistern. Bilder von Rembrandt, Michelangelo, Dürer, Raphael und viele andere schmückten jetzt die Straßen und Piazzas Italiens. Diese umfangreichere und vielfälltigere Epoche hatte grossen populären Anklang, und während die Künstler arbeiteten, wurden ihre Körbe mit Münzen gefüllt. Mit enormem Stolz und dem neu gewonnenen Respekt für ihre Arbeit fingen diese jungen Maler an, ihr Publikum mit immer schwierigeren Bildkompositionen herauszufordern. Häufig brauchten sie für ein Bild Tage und Wochen.
Um dem allgemeinen Wunsch nach grösseren und handwerklich besseren Bildern nachzukommen, kam die Idee auf, bewegliche Malunterlagen zu verwenden. Anfangs wurde dickes Papier verwendet. So waren die madonnari in der Lage, bei schlechtem Wetter ihr Bild mitzunehmen. Später ersetzte vorbereitetes Segeltuch oder Leinwand die Papierunterlage. Madonnari bekamen jetzt Angebote von den Passanten, ihre Arbeit zu kaufen oder ein spezielles, beauftragtes Motiv zu malen. Das Arbeiten auf Segeltuch hatte Vorteile gegenüber Papier. Es nutzte nicht ab und die Bilder waren folglich dauerhaft und absatzfähig. 1972 schuf die kleine Gemeinde, Grazie di Curtatone in Norditalien, den ersten internationalen Straßenmalwettbewerb. Das Anliegen des Wettbewerbes war es, die Arbeit von denen zu honorieren und zu veröffentlichen, die als die letzten Vertreter dieser traditionellen Kunst galten. Die ältesten dieser Maler waren über 90 Jahre alt. Mit jedem Jahr kamen jüngere Maler und das Festival wurde immer grösser. Immer mehr Publikum wurde von diesem Spektakel angezogen, womit seine Gründer nie gerechnet hätten. Das Festival bleibt populär und ist ein Modell für Festivals dieser Art in der ganzen Welt.
Entwurf für ein Bild am Limburger Dom

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